perspectiva Impulse
Es geht um Anerkennung
Die Wut auf den Strassen und in den sozialen Medien, einander unversöhnlich gegenüber stehende politische Gruppen und Lager, populistisches Abdriften breiter Bevölkerungsteile und gewalttätige Auswüchse stellen eine ernst zu nehmende Herausforderung dar, zusätzlich zu den inhaltlichen Krisen von Kriegen, Klimawandel und weltweiten Flüchtlingsströmen.
Aktuelle Studien, u.a. des Soziologen Nils Kumkar, der Meinungsforscher Knut Bergmann und Matthias Diermeier, wie auch des Soziologen Wilhelm Heitmeyer zeigen dabei die Heterogenität der Protestaktivist*innen und -wähler*innen. Was sie eint, sind weder bestimmte wirtschaftliche Lagen noch gesellschaftliche Milieus. Es ist Unzufriedenheit, mit der Politik insgesamt, der eigenen Lage, den eigenen Chancen, geringe Frustrationstoleranz, Angst vor Kontrollverlust.
Entsprechend inhaltlich kontur- und zusammenhangslos erscheinen die populistischen Versprechungen. Ihr Kern ist allein das (vermeintliche) Wiederherstellen von Kontrolle, das Sichtbarmachen, das Gehörverschaffen: „Es geht nicht den um Agrardiesel. Es geht um Anerkennung“, sagt der Politikwissenschaftler Martin Hecht.
Strukturelles Kennzeichen grosser gesellschaftlicher Krisen ist gemäss Heitmeyer gerade, „dass die Instrumente zur Lösung nicht mehr sofort und nicht mehr kostenlos funktionieren“. Die notwendigen Strategien gesellschaftlicher Entwicklung erwachsen nicht aus kurzfristigen und einfachen Antworten, sondern erfordern vielfältige Ansätze und „gleichzeitig, nebeneinander herlaufende, einander ergänzende Massnahmen“ (Richard F. Behrendt).
Diese zu finden und umzusetzen braucht es für Heitmeyer vor allem eine „konfliktfähige Zivilgesellschaft“. Sie beginnt im sozialen Nahraum, mit dem Aufbau tragfähiger sozialer Netze, die Einzelne auffangen, Sinn stiftendes Tätigsein und Begegnung ermöglichen, in denen alle Menschen sich aufgehoben und wahrgenommen fühlen: Es geht um Anerkennung.