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Ausbildungsinstitut perspectiva

perspectiva Impulse

Konfliktlösung als notwendige Kulturtechnik

«Es gibt keine Alternative zur Erkenntnis, dass wir – allen Konflikten zum Trotz – in einem Boot sitzen», formulierte der einstige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker treffend.

Vielleicht sollten wir daher bei den Überlegungen zu wichtigen Bildungs- und Weiterbildungsinhalten ihre konstruktive Beilegung endlich zentral stellen? Wären also Mediation und Konfliktlösung, aber auch Gewaltfreie Kommunikation nicht sinnvolle Kulturtechniken, die gesellschaftlich breit erlernt werden sollten?

Statistisch gesehen war die Entwicklung von Kulturtechniken natürlich bislang eher eine langwierige Sache: So waren Lesen und Schreiben, die sog. Literalität, über Jahrhunderte ein Kompetenz weniger Einzelner, bevor sich die Alphabetisierung in alle Bevölkerungsteile verbreitete. Bis ins späte Mittelalter reichte es eben, dass sich Wenige haupt- und nebenamtlich um den Schriftverkehr kümmerten. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich u.a. in der Schweizer Bevölkerung die Alphabetisierung rapider und stieg von 30% um 1830 jedes Jahrzehnt um 10%.

Und Mediation? Erste, noch in den USA ausgebildete Mediator*innen, boten ab den 1990er Jahren Ausbildungsgänge in Deutschland und der Schweiz an. Heute umfasst die Federation Suisse Mediation (FSM) als Dachverband der Schweiz gegen 1'500 Einzelmitglieder. Hinzu kommen einige Hundert Anwaltsmediator*innen, die im Schweizerischen Anwaltsverband organisiert sind. Reicht das?

Es ist m.E. wie mit der Alphabetisierung: Heute würde wohl kaum jemand mehr annehmen, dass Literalität als Grundkompetenz für alle überflüssig ist, nur weil es haupt- und nebenamtliche Literat*innen gibt. Es scheint mir bei der Kompetenz, Konflikte nachhaltig konstruktiv zu lösen, angesichts der aktuellen Konfliktlagen ähnlich: Mediation als Beruf von Wenigen ersetzt nicht die notwendige Verbreitung als mediativer Kompetenz für alle. Denn wir sitzen alle in einem Boot.