perspectiva Impulse
Strategie Umdeutung oder was Uhus von Ühus lernen können
Vor 25 Jahren stellte der sardische Mediziner Gianni Pes erstmals seine Untersuchungen zu den „Blauen Zonen“ vor. Es handelte sich um – auf seiner Karte mit blauem Filzstift umrandete – Dörfer, die eine im Vergleich zur Einwohner*innenzahl überdurchschnittliche Dichte an über Hundertjährigen aufwiesen.
Weltweit gibt es fünf dieser Zonen und seither intensive Forschung zum Lebensstil ihrer hochbetagten Bewohner*innen. Gemeinsamkeiten liegen dabei nicht nur in einer gesunden Ernährung, „täglicher Bewegung in konstant niedriger Intensität“ wie etwa längeres Gehen oder Gartenarbeit, sowie einem sozialen Umfeld mit guten Beziehungen und Austausch.
Daniela Jopp, psychologische Altersforscherin, macht auch besondere Bewältigungsstrategien aus, Dinge zu akzeptieren, die nicht zu ändern sind. Das „passive Coping“, also ein akzeptierendes Anpassen an Gegebenheiten, wie z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen, das Nachlassen der Sinne, ohne daran zu verzweifeln, zeichnet sich dabei durch hilfreiche Umdeutung (Reframing) aus: So „verweisen sie häufig darauf, dass sie sich nicht beschweren wollen, da doch alle anderen ihrer Geburtskohorte bereits verstorben sind“.
Dieses Erweitern des Vergleichsrahmens und damit zusammenhängend ein Perspektivenwechsel, sind wichtige – und lernbare – Techniken in Mediation und Coaching. Verbunden mit Dankbarkeit, Optimismus und Humor, wirken sie einer Eng-Sicht entgegen, lassen das „big picture“ und damit konstruktive Deutungs- und Handlungsoptionen, sichtbar werden.
Meinen beiden Grossmüttern, deren eine in hochbetagtem Alter über ihre Gefährt*innen humorvoll von „Ühus“ und „Uhus“ sprach, also „über Hundertjährigen“ und „unter Hundertjährigen“, und deren andere heute ihren 104. Geburtstag feiert, bin ich an dieser Stelle zu höchstem Dank verpflichtet und überzeugt, dass wir „Uhus“ viel von den „Ühus“ lernen können.