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Ausbildungsinstitut perspectiva

Von Glück und Glücklichsein

Wahrscheinlich haben sich nicht wenige in den letzten Tagen viel Glück fürs neue Jahr gewünscht. Und sicher haben wir ganz Unterschiedliches im Sinn, das uns glücklich machen bzw. worüber wir uns freuen und dankbar wären. Über die Beziehung zwischen Glück und Dankbarkeit sagte der englische Philosoph Francis Bacon aber überraschenderweise: "Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind."

Die Dankbarkeit, die u.a. von der positiven Psychologie erforscht wird, meint dabei mehr als Listen von Dingen, die wir vielleicht bekommen haben. Sie entfaltet sich vielmehr als intensive Empfindung, wenn sie einer Haltung entspringt, einer (bewussten) Blickrichtung und Lebenseinstellung, die sich jeweils auf das richtet, wofür wir im Leben - trotz allem - dankbar sein können. Neben materiellen Dingen sind damit vor allem auch Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen gemeint, erfüllende Momente in und mit der Natur, sich selbst oder Mitmenschen.

Nachweislich neigen Menschen mit dankbarer Einstellung weniger zum Grübeln, sind resilienter gegenüber Stress, schlafen besser, fühlen sich gesünder sowie verbunden mit anderen und sind motivierter, andere zu unterstützen. Sich in schwierigen Lagen mindestens etwas zu überlegen, wofür man dankbar sein könnte, ist allerdings Denkarbeit, eine willentliche Entscheidung, und Übungssache. Die sich lohnt: "Echte Dankbarkeit macht uns frei," konstatiert der Philosoph Jörg Bernardy.

Bereits in der Antike, so der Experte für stoische Philosophie, wurde Dankbarkeit als unverzichtbar für Lebensqualität - und ein einfaches Leben wiederum als hilfreich erachtet, gelassener und dankbarer zu werden. Massvoll und achtsam zu sein für das Einfache, Alltägliche helfen, sich auf das Wesentliche zu fokussieren, Balance und Klarheit zu finden.

Fürs neue Jahr wünsche ich uns allen daher das Glück der Dankbarkeit, den Schwung, sie auszudrücken und aus allem die Kraft, in der Welt, helle, nachhaltige und soziale Impulse zu setzen.

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Alles Licht das wir nicht sehen

Dieser Titel eines bewegenden Films über eine blinde, junge Frau, die sich im von den Nazis besetzten Frankreich durchschlagen muss, passt für mich in mehrerlei Hinsicht in unsere Zeit.

Zum einen natürlich zum dunklen, nasskalten November, dessen Lichtmangel nicht wenigen Menschen Mühe bereitet, auf Stimmung und Motivation schlägt. Zum anderen aber auch zur aktuellen Nachrichten- und Weltlage, in der Zuversicht zu behalten, zur echten Aufgabe wird.

Der Film berührt insbesondere durch den starken Kontrast des hellen Innen- und harten Erlebens der Figuren, die zarte Bindung der jungen Französin zu einem deutschen Soldaten, einem Dorf, das sich im Widerstand organisiert: scheue Momente warmer Menschlichkeit in rauhester Kälte und historischer Düsternis. Man ahnt, fühlt ergreifend die alles überstrahlende Bedeutung menschlicher Wärme im Kleinen, gerade, wenn sie im Grossen fehlt.

Die Fragilität des Menschseins wird uns besonders dann schmerzlich bewusst, wenn wir aus welchen Gründen auch immer im Dunklen sitzen: in der Melancholie nächtlicher Gedanken, in Aussichtslosigkeiten von Situationen, in Krankheit, Leiden und Bedrängnis.

Das Tröstliche des Novembers ist: Wir wissen, die Sonne ist nicht weg, nur weil wir sie weniger sehen. Von ihrem Licht wissen wir auch dann. Das Licht in uns müssen wir vielleicht bewusst suchen, bewahren, nähren. Das ist für Einzelne allein ungleich schwerer als in positiven sozialen Momenten und zwischenmenschlicher Beziehung. Und so sind wir Menschen uns in der Begegnung die eigentlichen Boten allen Lichts, das wir nicht sehen. Im November und diesen Zeiten mehr als sonst.

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Was wir heute tun

«Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht.» Diesen Satz diktierte Boris Pasternak 1960 in seinem letzten Interview dem Magazin «The Week». Pasternak, im Westen gefeierter Autor des Romans «Doktor Schiwago», hatte zwei Jahre zuvor den Literatur-Nobelpreis abgelehnt, um seine Familie zu schützen. Obwohl sein Roman in der Sowjetunion nicht erscheinen durfte und er selbst geschmäht wurde, vertrat er die Meinung:

«Wir dürfen uns nicht hoffnungslos oder hilflos fühlen, sondern müssen jede noch so kleine Gelegenheit nutzen, um der Welt um uns herum zu Frieden, Produktivität und menschlicher Brüderlichkeit zu verhelfen.»

Weihnachten erinnert uns daran, wie unscheinbar und klein Grosses beginnen kann. Entscheidende Impulse können überall entstehen. Wichtig ist, anzufangen. Entscheidend wäre aber auch, uns bewusst zu machen, wie wir unsere Welt wirklich wollen. Und was hätten wir heute getan, wenn wir in einigen Jahren rückblickend sagen: Das war der erste Schritt? Der mutige Entschluss? Die entscheidende Wendung? Wovon wünschen wir uns am meisten, dass es anders wäre? Welches wäre ein erster konkreter Schritt in diese Richtung? Und was könnte unser Beitrag sein?

Pasternaks «Doktor Schiwago» besticht übrigens nicht damit, dass seine Protagonist*innen historische Heroen sind. Im Gegenteil. Sie taumeln, geworfen in eine Zeit des Krieges und der Revolution, in der Schwebe ihrer Leben, zwischen Liebe und Verpflichtung, Fremdbestimmung und Schmerz.

Die Botschaft Pasternaks ist so kurz wie eindringlich: «Der Mensch wird geboren, um zu leben und nicht etwa, um sich auf das Leben vorzubereiten.» 

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Zirkelschlüsse und Evolution

An einem für die Jahreszeit sehr milden Nachmittag hole ich mit dem Fünfjährigen den Siebenjährigen ab. Dieser hüpft uns ohne Jacke entgegen. Sofort entledigt sich auch der Fünfjährige seiner Jacke. Ich frage den Grossen: «Du, ist es nicht noch ein bisschen kalt ohne Jacke?». Er antwortet mit Blick auf den Kleinen: «Er hat ja auch keine an.»

Zirkelschlüsse sind Argumentationen, die sich zur Begründung auf sich selbst beziehen und damit sich selbst verstärkend quasi im Kreis laufen. So etwas sei auch mit Darwins Evolutions-Prinzip des vorherrschenden Wettbewerbs und Triumph des Stärkeren passiert, behaupten der französische Agraringenieur Pablo Servigne und der belgische Biologe Gauthier Chapelle. Sowohl in der Natur als auch schon in Darwins Schriften gehe es vielmehr um wechselseitige Anpassung, gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit, Synergien und Symbiosen.

Vom Zusammenwirken auf Zell-Ebene in Organismen und Körpern, über Kooperations-Gemeinschaften zwischen Pilzen, Algen, Flechten, Pflanzen bis hin zu sozialen Gruppen von Tieren sind Netzwerke und gegenseitige Hilfe lebensnotwendige Fundamente: Nicht in alleiniger Stärke, sondern der Fähigkeit zu neuer stärkender Kooperation bestehe der Vorteil und "das andere Gesetz des Dschungels».

Vielleicht könnte eine solche neue Sicht von erstrebenswertem Miteinander und gegenseitiger Hilfe auch gesellschaftliche Themen kreativ voranbringen und Wertigkeiten konstruktiv verändern. Kooperation und Beziehung als vorteilhafte und erfolgreiche Strategie? Immerhin das haben die Jungs schon bewiesen.

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Ausbreitungs-Chancen für den Frieden

Die Ausbreitungs-Chancen von Friedens- und Gewaltprozessen sind strukturell sehr ungleich. Damit eine friedliche Ordnung funktioniert, müssen sich alle Beteiligten darauf einlassen. Um Eskalation in Gang zu setzen, reichen einige wenige. Und einmal in Gang gesetzt, können  «Gewaltbereite nur in die Schranken werden», indem man sich auf ihre «Auseinandersetzungsregeln einlasse», schreibt Peter Waldmann, deutscher Jurist, Soziologe und Terrorismusexperte.

Daraus resultiert ein von Waldmann beschriebenes «Sicherheits-Dilemma»: Angesichts «von potenziellen Gewaltakteuren […] kann es sich keine Gruppe […] leisten, auf jeglichen Selbstschutz zu verzichten».

Funktioniert hat die gesellschaftliche Eindämmung von Gewalt überall dort, wo sie einerseits staatlich monopolisiert und andererseits rechtsstaatlich kontrolliert wurde: Dabei schützt die Monopolisierung vor Gewalt durch Mitmenschen, die rechtsstaatliche Kontrolle vor Gewalt durch die staatlichen Organe selbst.  Aber genau dies ist nicht voraussetzungslos, wie wir heute - nicht nur anderswo - sehen.  

Der Sozialvertrag und Verzicht auf Gewaltausübung funktionieren, wenn Lebensumstände mit Teilhabe-Chancen und Zukunftsaussichten bestehen, sozial und ökonomisch. Wenn Anerkennung zu erlangen und Konflikte zu lösen gewaltfrei möglich ist. Konkrete Möglichkeiten, diese Voraussetzungen zu schaffen, zu leben und verbreiten, sind Gewaltfreie Kommunikation und Mediation. Sie lehren, in Konflikten so früh wie möglich  deeskalierend zu reagieren, sind präventiv wie konfliktlösend in Alltag und Beruf einsetzbar:

Denn in unserem eigenen Tun in unseren vielen kleinen Leben liegt unsere grösste Ausbreitungs-Chance für den Frieden.

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