Hoffnung statt Wunschdenken
«Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen», ist eine der Botschaften, die der jüdische Philosoph Ernst Bloch in seinem Werk «Das Prinzip Hoffnung» während des Zweiten Weltkriegs niederschrieb. Hanna Gekle, Philosophin, Psychoanalytikerin und an der Universität Tübingen letzte Assistentin von Bloch, erinnert in heutiger Zeit daran, dass Bloch damit nicht naives Wunschdenken meinte.
Vielmehr ginge es darum, «was wir wünschen und hoffen, mit dem zusammenzubringen, was möglich ist». Im Gegensatz zum Bestehen auf absoluter Wunscherfüllung, sei Hoffnung «realistisch gezähmt», weniger affektiv als vielmehr «mit dem Denken verschwistert» und getragen von Verantwortung.
Wenn sich Hoffnung auf reale Möglichkeiten beziehen soll, heisst das, sich selbst und die eigenen Spielräume mitzudenken, Mass zu halten, sich tätig oder bewusst verzichtend einzubringen.
Plastisch wurde dieser Unterschied zwischen Wunschdenken und Hoffnung in einem Wortwechsel unseres Jüngsten beim kürzlichen Coiffeur-Besuch: Auf die Frage, was wir denn heute machen, stellt der 6-jährige zunächst eine Liste prominenter Fussballer in den Raum, deren Trendstyles eher wenig seinen haarigen Voraussetzungen entsprechen. In die abwartende Pause des Coiffeurs hinein relativiert er daher selbst: «Ok, wie immer!» Auf meinen belustigten Blick erklärt mir der Coiffeur mit einem Augenzwinkern, dass «Wie immer» durchaus eine «offizielle Männerfrisur» sei: «Bitteschön?» - «Wie immer!»
Die daraus sprechende, begründet positive Erwartungshaltung ist Hoffnung im Bloch'schen Sinne. Diese Art der realistischen Zuversicht zu wecken, ist auch Ziel und Zweck in Coaching und Mediation resp. mediativer Konfliktbearbeitung. Wenn Menschen in herausfordernden und konfliktiven Situationen gesichtswahrend wieder zu sich selbst und ihren Interessen und Bedürfnissen finden, werden auch konkrete Handlungsspielräume wieder sichtbar, entsteht vitale Gestaltungskraft, durchaus mit Platz für weitblickende Zukunftsideen. Davon brauchen wir mehr!
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